Boston Baked Beans Hamburger Art
Ich war noch niemals in New York. Ich habe mir noch nie Blumen ins Haar gesteckt, um San Francisco zu besuchen, bin nie nach einer durchzechten Nacht in Las Vegas bei einer Traukapelle (und fünf Stunden später beim Scheidungsrichter) vorgefahren und habe noch nie ein einem schmuddeligen kleinen Motel in einem der immerhin fünfzig Greenvilles der USA übernachtet. Ich war schlicht überhaupt noch nicht in den USA, und was ich mit diesen Land verbinde, sind hauptsächlich Klischees (q. e. d.). Und Rezepte.
Denn wenn es um Comfort Food geht, spielen die Bewohner Nordamerikas ganz vorne mit (und ja, das schließt Kanada und Mexiko mit ein). Ein richtig guter Burger? Mac’n Cheese? Burritos, Pulled Pork, Chili con Carne und Chowders? Sollten allesamt in eine UNESCO-Liste unbedingt schützenswerter Weltkulturerberezepte aufgenommen werden. Um erst gar nicht mit Cheesecakes und Pancakes mit Ahornsirup anzufangen … Und dann sind da noch Boston Baked Beans.
Ich habe ja innerhalb des großen Comfort-Food-Universums eine besondere Schwäche für alles, was lange gegart wird und idealerweise Salziges, Süßes und Rund-Herzhaftes (Umami) in einem Bissen vereint. Boston Baked Beans erfüllen alle diese Anforderungen perfekt. Im Original handelt es sich um einen Bohneneintopf mit Speck, der laaaaange vor sich hin schmurgeln durfte. Zu Zeiten der sittenstrengen Pilgerväter hieß das: Samstags angesetzt und über Nacht in den Ofen gestellt, ergab das Bohnengericht eine heiße Sonntagsmahlzeit, ohne dass am heiligen Sabbat gearbeitet werden musste.
Die süße Note kam später zu dem Gericht hinzu: Boston war ein Zentrum der Rumbrennerei, und der dazu benötigte Grundstoff, nämlich Melasse ‒ Sirup aus Zuckerrohr, gelangte in großen Mengen in die Stadt. (In so großen Mengen übrigens, dass es 1919 zu einem Unglück mit 21 Todesopfern und zahlreichen Verletzten kam, als ein Melassetank explodierte und eine meterhohe Sirupwelle wie Lava durch die Innenstadt rollte.) Ein Lebensmittel, das so leicht erhältlich und dazu nahrhaft war, fand natürlich seinen Weg in alle möglichen Rezepte, und nicht nur süße. So ist seit dem 18. Jahrhundert der Sirup das, was aus schlichten Baked Beans die besonderen Boston Baked Beans macht.
Ich musste mir hier mit Zuckerrübensirup behelfen ‒ und habe mir auch ansonsten allerhand Freiheiten mit dem Rezept genommen. Um die süßliche Note ein bisschen in Richtung fruchtig zu stupsen, habe ich Äpfel und reichlich Tomaten mit in den Ofeneintopf gegeben, und der Speck spielt bei mir nur eine Nebenrolle als Würzmittel; gerade eben, um einen salzig-rauchigen Geschmack beizusteuern.
Ich hoffe, die Bostoner verzeihen mir das ‒ und hoffentlich tut es Bella von bellakocht auch: Sie richtet nämlich das aktuelle Blogevent von Zorras Kochtopf aus und hat zum kulinarischen Roadtrip durch die USA eingeladen. Und da reiche ich dieses nicht ganz originale, aber wirklich leckere Rezept hiermit ein.
- 400 g getrocknete weiße Bohnen
- 100 g durchwachsener Speck
- 2 Zwiebeln
- 2 Knoblauchzehen
- 2 kleine säuerliche Äpfel
- 8 Pimentkörner
- 1 EL Pflanzenöl (falls nötig)
- 2 Dosen stückige Tomaten (à 400 g)
- 2 EL Zuckerrübensirup
- 2 EL Essig
- 3 Lorbeerblätter
- gemahlene Chili (Cayennepfeffer)
- Salz
- Fett für die Auflaufform
- Die weißen Bohnen mindestens 8 Stunden (am besten über Nacht) in reichlich Wasser einweichen.
- Die Bohnen nach der Einweichzeit in ein Sieb abgießen, mit reichlich frischem Wasser (ohne Salz!) aufkochen und bei schwacher Hitze mit aufgelegtem Deckel weich kochen: Sie sollen weich sein, aber noch nicht zerfallen. Bis zu diesem Stadium dauert es, je nachdem, wie lange die Bohnen schon gelagert waren und um welche Sorte es sich handelt, zwischen 40 und 80 Minuten.
- In der Zwischenzeit vom Speck die Schwarte abschneiden und den Speck würfeln. Zwiebeln und Knoblauch schälen und würfeln. Die Äpfel waschen und nach Belieben schälen, vierteln und ohne Kerngehäuse in kleine Stücke schneiden. Die Pimentkörner mörsern.
- Den Speck mitsamt Schwarte (Fettseite nach unten) in einem großen Topf erhitzen und bei schwacher bis mittlerer Hitze 5 Minuten braten, sodass das Fett austritt. Je nachdem, wie viel Fett das ergibt, evtl. noch Pflanzenöl zugeben, Zwiebel und Knoblauch zufügen und in 5 Minuten glasig anschwitzen.
- Apfelstücke, Tomaten, Sirup, Essig, Piment und Lorbeerblätter zugeben und alles gut verrühren.
- Die fertigen Bohnen abgießen und zur Tomatensauce geben. Eine große Auflaufform einölen. Die Mischung aufkochen, mit Chili und Salz abschmecken und in die Auflaufform füllen. Die Baked Beans im Ofen bei 180 °C (Ober-/Unterhitze) mindestens 1 Stunde backen (etwas länger schadet aber überhaupt nicht: einfach gelegentlich kontrollieren, ob noch genügend Flüssigkeit vorhanden ist und die Bohnen nicht schwarz werden).
- Die Speckschwarte vor dem Servieren herausnehmen.
- Klassisch gehört dazu dunkles Brot; ich fand ein Spiegelei eine tolle Ergänzung (zugegeben: auch farblich).
Es ist in diesem Fall nicht notwendig, den Backofen vorzuheizen: Die Garzeit ist so lang, und den Bohnen ist es (im Unterschied z. B. zu einem Brot) egal, ob sie in den kalten Backofen kommen. Also kann man sich die Energie gut sparen.
- Die Film-und-Chips-Falle
- Liegt der Geschmack im Objekt?
Eine schöne Geschichte mit viel Tradition erzählst du hier – sehr schön recherchiert.
Das wir beide das gleiche Gericht zu diesem Event beitragen erklärt sich ja leicht. Schließlich liegen gebackene Bohnen bei den Überlegungen ganz vorne. Bei den vielen verschiedenen Varianten, verwundert es nicht, dass sich auch unsere Rezepte unterscheiden. Immer mit dabei ist das gebratene Ei.
Hallo Sabine,
witzig, dass wir uns hier wiedertreffen :-) Aber irgendwie auch klar, oder? Denn bei dem Event musste ich mit meiner Leidenschaft für soulfood natürlich auch mitmachen. Und natürlich spreche auch ich von Boston Baked Beans – aber nicht in so einer schönen Auführlichkeit wie du. Ich bereue es fast, kein Rezept zu meinem Beitrag veröffentlicht zu haben. Aber bei mir sollte es eher eine kleine kulinarische Reise sein…
Liebe Grüße aus Köln!
Julia von Löffelgenuss
Die Geschichte drum herum…die macht das Bloggen so schön. Vor allem auch für die Leser. :-)
Danke daher für die Infos und das leckere Rezept.
@ Heiner: Ja, ich habe das Gefühl, dass das Event insgesamt sehr bohnenlastig wird! ;-) Aber es stimmt schon, die Rezepte sind sehr unterschiedlich.
@ Julia: Auch wenn bei Dir kein Rezept dabei ist – Deinen Überblicksartikel über ein paar der Regionalküchen der USA finde ich ja noch viel wertvoller! Ich verlinke ihn mal hier, vielleicht mag ja noch jemand rüberklicken:
http://loeffelgenuss.de/kulinarischer-roadtrip-durch-die-usa/
@ Eva: Vielen Dank für das Lob – freut mich! :-))
Vielen Dank für deinen Beitrag!
Das nicht ganz originale Rezept sei dir verziehen ;-) Ich freu mich nämlich sehr über die ganz eigene Note…
Ich war zwar schon mit Blumen im Haar in San Francisco und hatte auch schon durchzechte Nächte in Vegas (ohne Hochzeit und Scheidung ;-)) und trotzdem bestätigen sich einige Klischees trotzdem immer wieder, so zum Beispiel: (um bei den Songtexten zu bleiben): It never rains in southern california…
In diesem Sinne: schön, dass du dabei bist!
VG Bella
Hi Bella, danke fürs Verzeihen! ;-) Und danke fürs Organisieren des Events.