Vilnius, Riga, Tallinn: 4 Restauranttipps für das Baltikum
Vor unserer ersten Reise durch Lettland und Estland im letzten Jahr hätte ich mir nicht träumen lassen, dass man im Baltikum so gut essen kann. Das hat sich dieses Jahr auch in Litauen bestätigt, aber diesmal war ich vorbereitet – schließlich hatte ich mich letztes Jahr für einen Artikel über die neue baltische Küche mit dem Thema noch einmal näher befasst und auch zwei Küchenchefs dazu interviewt.
Ihr möchtet euch selbst davon überzeugen, was dort im Nordosten Europas kulinarisch los ist? Dann möchte ich euch vier Restaurants in den drei baltischen Hauptstädten ans Herz legen. Alle vier schreiben sich regionale, saisonale Küche auf die Fahnen und nehmen das nicht nur sehr ernst, sondern auch als Ausgangsbasis für kreative Höhenflüge. Ich habe in jedem der vier Restaurants jeweils einen Abend verbracht, der mich sehr glücklich gemacht hat. (Entschuldigt die schlimmen Fotos: Mir ging es in den Momenten, in denen das Essen vor mir stand, nicht primär um schöne Bilder.)
Vilnius, Sweetroot Restoranas
Über das Sweetroot Restoranas sind wir nur durch Zufall gestolpert, obwohl ich mich im Vorfeld der diesjährigen Reise nach Kräften bemüht hatte, in Vilnius genau so ein Restaurant zu finden – erfolglos. So spazierten wir durch die Straßen von Užupis, einem Stadtteil von Vilnius, der sich schon vor Jahren zur unabhängigen Künstlerrepublik erklärt hat und ähnlich wie Kopenhagens Christiania auf dem schmalen Grat zwischen künstlerischer Autonomie und angesagtem In-Viertel balanciert. Und standen plötzlich vor dem Sweetroot, dessen Karte genau das verhieß, was ich gesucht hatte.
Man isst dort Menü: entweder sieben oder vier Gänge, wahlweise mit Fleisch oder vegetarisch, wahlweise mit Weinbegleitung oder ohne, und auch sonstige Sonderwünsche werden nach Kräften erfüllt, sodass niemand Angst haben muss, im Rahmen des Menüs auf Gerichte mit hohem persönlichem Abneigungsfaktor zu treffen.
Der abgebildete Gang war vielleicht nicht der dekorativste, hat mich aber in der Aromenkombination sehr beeindruckt: grüner Spargel mit Haselnusscreme, Schafsjoghurt, Fichtennadeln (und Blättern, die ich nicht identifizieren konnte). Hervorragend: Rinderfilet, in eine hauchdünne Scheibe Kalbsleber gewickelt, dazu Spinat und fermentierte „brain mushrooms“, über die ich nachher nachgelesen habe, dass sie im Deutschen den eher abschreckenden Namen Frühjahrs-Giftlorchel tragen und roh giftig, aber gegart in einigen Ländern als Speisepilze hoch geschätzt sind. Wir haben den Genuss definitiv überlebt, sehr gut sogar!
Natürlich haben auch hier modernste Küchentechniken ihre Spuren hinterlassen: Der Stör war Sous-Vide gegart worden, und auf der Grießschnitte thronte eine hauchdünne Scheibe salzgetrocknetes Eigelb. Vor allem aber hat mich beeindruckt, wie mit Aromen gespielt wurde. Die mit Schwarze-Johannisbeer-Blättern aromatisierte Butter zum sehr guten Brot hat mir so gut gefallen, dass ich wirklich überlegt habe, wie man das wohl selbst nachbauen könnte. (Leider habe ich noch keine Lösung gefunden.)
Nicht nur das Essen war köstlich, auch der sehr nette Service und das skandinavisch-reduzierte Ambiente haben uns gefallen. Wobei wir vom Interieur nicht so viel mitbekommen haben, denn wir saßen an diesem warmen Abend draußen auf der Terrasse. Als ich nach dem Essen statt Kaffee einen Kräutertee bestellt habe, wurde mir der sogar individuell nach meinen Vorlieben (Holunderblüten!) gemischt.
Riga, Restorāns 3
Riga habe ich dieses Jahr im Mai noch einmal besucht, nachdem wir ja schon letztes Jahr hindurchgeradelt waren: diesmal mit dem Flugzeug und mit musikalischen statt sportlichen Zielen – mit meinem Chor war ich dort auf Konzertreise. Weil wir in einer kleineren Gruppe gut essen gehen wollten, hatte ich im Vorfeld das 3 Pavāru Restorāns empfohlen (siehe unten); das war allerdings zu dem gewünschten Termin schon ausgesucht und verwies uns an das Restorāns 3. Das hat nicht nur eine gewisse Namensähnlichkeit, sondern wird auch von einem der drei namengebenden Chefköche des 3 Pavāru betrieben: von Ēriks Dreibants nämlich, zusammen mit Juris Dukalskis.
Diese kleine Planänderung stellte sich als wunderbarer Zufall heraus. Das neuere Restorāns 3 (in diesem Fall wohl nach der Hausnummer in der Kaleju iela benannt, nicht wie beim 3 Pavāru nach den drei Köchen, die dort das Zepter führen) treibt die Regionalität noch weiter: Hier wird versucht, so viel wie möglich mit dem zu kochen, was Wald, Wiese und Gewässer hergeben – wild, nicht kultiviert. So bekamen wir Auster und Sauerklee, Rehfilet und immer wieder Vogelmiere – die Vogelmiere scheint mir sowieso die große Gewinnerin des Wir-sammeln’s-selbst-Trends zu sein.
Dabei wird nicht an Showeffekten gespart: flüssiger Stickstoff, der über Heu gegeben wird und duftende Nebelschwaden über den Tisch fließen lässt; zeremonielles Angießen von Sauerampfersüppchen über Gurkentürmchen und ein Service, der höchst würdevoll die Bestandteile des Tellers erklärt. Etwas weniger von alldem hätte es für mich auch getan; ein bisschen hatte ich das Gefühl, in eine kulinarische Inszenierung geraten zu sein – aber das Wichtigste: Das Essen war wirklich sehr gut.
Übrigens: Im Restorāns 3 kann man sich entweder für eines der Menüs entscheiden oder aber à la carte bestellen. Nur (das fand ich etwas seltsam): Menü gibt es nur für alle am Tisch – oder für keinen. Dabei müssen gar nicht alle das gleiche Menü wählen, nur dürfen nicht die einen Menü bestellen, die anderen à la carte. Hmm. Nachdem an unserem Tisch eine Pattsituation auftrat, haben wir die Servicechefin bekniet, eine Ausnahme zu machen, und nach viel „eigentlich nicht“ und „eiserne Regel“ ging’s dann plötzlich doch.
Aber selbst mit diesen kleinen Eintrübungen: Es lohnt sich, dort zu essen. Große Empfehlung!
Riga, 3 Pavāru Restorāns
Da ich das Essen in diesem Restaurant schon letztes Jahr ausführlich beschrieben habe, führe ich es hier nur der Vollständigkeit halber noch einmal auf, gebe aber nach wie vor eine dicke Empfehlung dafür ab. Und da im Mai ein Grüppchen aus unserem Chor dort einen Tisch bekommen hat (was uns nicht mehr gelungen war) und nachher sehr schwärmte, kann ich auch guten Gewissens sagen: Es schmeckt dort immer noch.
Tallinn, Leib Resto
Dasselbe gilt für das Leib Resto: Auch darüber habe ich letztes Jahr schon geschrieben, und auch das sei hier der Vollständigkeit halber noch einmal genannt.
Denn nun kann ich sagen: Jetzt weiß ich für jede der drei baltischen Hauptstädte jeweils eine Adresse für sehr gutes und interessantes Essen, für Riga sogar zwei, und die möchte ich hier auf einen Blick stehen haben. Für euch – und für mich. Die nächste Reise ins Baltikum kommt bestimmt!
Übrigens: Stefanie und Volko von dem Blog In der Nähe bleiben waren auch in Lettland und berichten davon. Hier geht es zum ersten Teil der Urlaubserzählung. Schaut mal rein – es lohnt sich!
- Kalte Rote-Bete-Suppe: Der kleine Baltikum-Urlaub
- Gemüse satt: Gado-Gado
Liebe Sabine, Deine Restaurant-Tipps für Riga hätten wir gern vorher entdeckt. Da müssen wir uns wohl schnell Estland auf die Liste, damit wir jedenfalls den Tipps für Tallinn folgen können. Liebe Grüße und vielen Dank für´s Verlinken., Stefanie
Ach, Estland lohnt sich sowieso sehr! ;-) Ich bin gespannt auf die nächsten Teile eures Reiseberichts!
Wow, das sieht wirklich verdammt gut aus! Danke für die Tipps. Wer weiß, vielleicht können wir unseren lang gehegten Plan einer Ostseeumrundung im nächsten Jahr endlich umzusetzen beginnen. :-)
Liebe Grüße,
Eva
Falls ihr das macht, lass uns doch mal telefonieren. Vielleicht kann ich ja auch so noch den einen oder anderen Tipp geben. :-)
Das sieht so gut aus und weckt ganz unglaublich mein Fernweh. Danke für die leckeren Bilder ;)
Gerne!
Ich bin über die Google Suche nach einem Restaurant in Riga auf deinem Beitrag gelandet. Die Fotos und der Text sieht ja schon mal sehr vielversprechend aus ;)
Wir reisen im November nach Riga und da werde ich deinen Tipp Pavāru Restorāns mal befolgen. Es ist das erste Mal, dass wir ins Baltikum reisen, haben aber bisher nur positive Dinge gelesen und gehört
Dann wünsche ich viel Spaß in Riga! Eine tolle Stadt.