Lesebrösel: Stress und Essen

Unter der Überschrift „Lesebrösel“ werde ich hin und wieder Netz- und sonstige Literaturfundstücke zu einem bestimmten Thema servieren. Den Anfang macht der gute alte Stress, der ja trotz aller anderslautender Vorsätze vom 25. Dezember des Vorjahres dann doch immer wieder die Vorweihnachtszeit prägt. So manches Stück Stollen, so mancher Schokonikolaus dürfte sein Verschwinden dem Wunsch verdanken, die Nerven zu beruhigen. Tut mir leid, ein Gegenmittel habe ich nicht zu bieten. Aber ein paar interessante Informationsschnipsel:

Stressessen: Gewohnheitssache

Artikel über Stress und Essen werden ja gerne mit Bildern von Menschen illustriert, die sich Chips, Burger oder gleich eine ganze Schokotorte zu Gemüte führen ‒ mit schlechtem Gewissen. Aber ist Essen, das bei Stress herhalten muss, wirklich immer ungesundes Zeug? Im Blog Stress abbauen wird von einer Studie berichtet, die in puncto Stressessen zu anderen Ergebnissen kommt: Bei Stress greifen Menschen nicht etwa automatisch zum maximal Süßen oder Fettigen, sondern zum Gewohnten. Wer also (mal angenommen) besonders gerne und häufig Äpfel isst, für den sind Äpfel auch das bevorzugte Stressessen; für Schokofans ist es die Schokolade. Blogautorin Stella Cornelius-Koch zieht daraus allerdings die Schlussfolgerung, dass man diese Gewohnheitsschleife durch noch stärkere gedankliche Kontrolle durchbrechen kann. Das sehe ich anders: Ich würde daraus eher schließen, dass man in Nicht-Stress-Zeiten „gesunde“ Essgewohnheiten etablieren kann, die dann in Stresszeiten dazu führen, dass man quasi ohne nachzudenken zu Rohkost, Apfel oder Nüssen greifen lassen. Wenn man das möchte. Und es erklärt, warum Europäerinnen bei Stress Schokolade, Japanerinnen eher Sushi essen: Gewohnheit!

Anti-Stress-Diät

Kann man Stress denn nun eigentlich auch durch Ernährung in den Griff kriegen? Es gibt zumindest Anzeichen dafür, dass eine kohlenhydratreiche, eiweißarme Ernährung beruhigend wirken und Ängste reduzieren kann.[ref]Ingrid Kiefer, „Essen gegen Stress?“, in: eif Ernährung im Fokus 05/06_13, S. 140‒143.[/ref] Schokolade oder Bananen helfen dagegen leider nicht langfristig: Sie enthalten zwar die Aminosäure L-Tryptophan, die zum „Glückshormon“ Serotonin  umgebaut wird. Leider aber müsste man sehr, sehr viel davon essen, um dadurch eine Wirkung zu erzielen.

Stressesser, Stresshungerer

Dass es Menschen gibt, die bei Stress unkontrolliert essen, ist bekannt. Dass es andere gibt, die in der gleichen Situation keinen Bissen herunterbringen, ebenfalls. Die erstgenannte Gruppe wird immer besonders misstrauisch beäugt, scheint sie doch besonders anfällig zu sein, sich Übergewicht anzuessen. Eine neue Studie legt jetzt nahe, dass das ein Fehlschluss ist. Die Stressessergruppe kompensiert das Verhalten nämlich, indem sie in entspannter, glücklicher Stimmung weniger isst; die Stresshungerergruppe dagegen isst dann mehr. Alles in allem also: Bilanz ausgeglichen ‒ sofern nicht Diät- und Ernährungsberater alles aus dem Gleichgewicht bringen, indem sie die Stressesser zur Zügelung anhalten und genau dadurch stressen.

Esskontrolle per BH

Natürlich schrillen aber beim Thema Stressessen immer noch allüberall die Hilfe-Volkskrankheit-Übergewicht-Alarmglocken. Bald möglicherweise auch im wörtlichen Sinne: Tatsächlich wird gerade ein BH mit Sensoren entwickelt, der bei den Trägerinnen Stress erkennen soll und dann geeignete Maßnahmen ergreifen könnte, um den Griff zur Schokolade zu unterbinden ‒ per Schlechtes-Gewissen-SMS beispielsweise. Zukunftsmusik? Klingt nicht so. Ein lesenswerter Kommentar dazu im Blog der Mädchenmannschaft.

 

 

 

 

6 Gedanken zu “Lesebrösel: Stress und Essen

  1. ninive

    Interessant… allerdings klingeln bei mir die Alarmglocken wenn ich lese „kohlehydratreich, eiweißarm“ , auf Dauer kann das bei den meisten Menschen zu allerlei Stoffwechselstörungen führen. Was dann wieder Stress macht- ganz anderer Art.
    Wenn man drüber nachdenkt erscheint es ganz logisch dass der Mensch sich bei Streß auf Vertrautes zurückzieht, das kennt man ja auch aus anderen Bereichen als dem Essen.
    Und wieder mal typisch dass die Frauen am Stress-essen gehindert werden sollen, Männer werden den Streß-BH wohl kaum anlegen, obwohl sie doch mindestens so gefährdet sind .

    Schöner Beitrag!

    1. Sabine Schlimm Artikel Autor

      Ninive, Du hast natürlich recht, dass man solche Ernährungsempfehlungen mit Vorsicht genießen muss. Aber immerhin ist ja bekannt, dass sehr eiweißreiche und kohlenhydratreiche Diäten auf die Laune schlagen können, weil Kohlenhydrate über mehrere Zwischenschritte die Serotoninbildung ankurbeln.
      Ja, und das mit dem BH ist der Hammer, oder? Erinnert doch gleich an eine Zwangsjacke.

  2. Reginald

    Wie auch immer das Wort Stress definiert und gedeutet wird, ich kenne leider keinen, weder Männlein noch Weiblein, der oder die auf die richtige Ernährung achtet, wenn Stress auftritt und man diesen meistern muss. Leider. Ich selber neige dazu zuviel von den „No Go`s“ zu essen und zu trinken, was sich auch sofort optisch in Form einer Silhouette wie ein Mammut statt eines geschmeidigen Tigers widerspiegelt. Nun passe ich mich gerade an das wundersame Leben eines „Mammuts“ an, umso erfreulicher bin ich, dass ich hier diese netten Zeilen zu diesem Thema gefunden habe.
    „Schlechtes Gewissen ich komme!“ sage ich mir, und mein Gewissen antwortet: „Verdammt, ich esse doch gerade“. Schöne Feiertage und guten Appetit…

    1. Sabine Schlimm Artikel Autor

      Och, wenn ich die Wahl hätte, würde ich wohl lieber in Gesellschaft eines Mammuts speisen als in der eines Tigers. Und noch ist sich die Wissenschaft ja auch ganz und gar nicht einig darüber, was nun eigentlich das Richtige und was das Falsche ist bei der Ernährung. Nur eins scheint mir in keinem Fall richtig zu sein: sich für seine Essensauswahl auch noch permenant selbst zu geißeln.

  3. Reginald

    @ Sabine

    Lach, ich werde mal schauen in welcher Gesellschaft ich mich Weihachten befinde…. Für meine Mama ist es auch wieder ein Stressprogramm, wobei wir wieder beim Thema sind. Dir alles Gute und einen fleißigen Weihnachtsmann. Merci

  4. Pingback: Die besten Strategien gegen Stressessen » viaMedizin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert