Krieg? Ach, Hummus drüber!

Essen verbindet. Wer isst, kämpft nicht; wer miteinander am Tisch sitzt und genießt, schießt nicht aufeinander. Vermutlich ist all das wahr, und vermutlich wird all das manchmal ziemlich überbewertet. Essen, so gut es auch sein mag, löst keine Weltprobleme.

Trotzdem wird im Moment ein beliebtes Gericht gerne in einem Atemzug mit „Frieden im Nahen Osten“ genannt: Hummus, das Püree aus Kichererbsen und Tahin. Eine Facebook-Gruppe namens „The Hummus Initiative“ ruft dazu auf, im Namen des Friedens Selfies mit Hummus in  Social Media zu teilen. (Wobei es hier schon nicht gelang, einen einheitlichen Hashtag zu etablieren: Auf Twitter finden sich Beiträge sowohl unter #hummusselfie als auch unter #hummuselfie und #hummusselfies.) Der Ruf wurde aufgenommen und im Blog Chickpeace (mit dem entsprechenden Hashtag #chickpeace) weitergetragen.

Schälchen mit Hummus

Klar. Wer in Online-Netzwerken Bilder von sich selbst mit cremigem Kichererbsenpüree postet, der postet dort wohl nicht gleichzeitig anti-israelische oder anti-palästinensische Hasstiraden. Aber die Initiator_innen dieser Aktionen wollen mehr als nur Beschäftigungstherapie: nämlich den Blick auf das lenken, was Israelis und Palästinenser_innen verbindet. Und ihnen scheint auch bewusst zu sein, dass sie sich damit ziemlich angreifbar machen für Spott.

Der auch zuverlässig kam. Ist nicht ein Schälchen Hummus ziemlich irrelevant angesichts der Dimensionen des Kriegs und des zugrundeliegenden Konflikts? Verbindet die Menschen in der Region nicht mehr als nur ein Lieblingsrezept – zum Beispiel der Wunsch, leben (und von mir aus Hummus essen) zu können, ohne ständig befürchten zu müssen, dass ihnen Bomben auf den Kopf fallen?

Sicher. Aber Hummus ist ein Symbol. Und zwar eins, das tatsächlich starke Emotionen weckt – leider keineswegs nur friedliche. Ja, dass Hummus eine großartige kulturelle Errungenschaft ist, darauf können sich im Nahen Osten alle einigen. Allerdings können sie genauso leidenschaftlich darüber streiten, wer nun das Recht an dieser Erfindung für sich beanspruchen darf. Das wird beispielsweise in einem Interview deutlich, das Laila El-Haddad dem Magazin Munchies gab: Für die palästinensische Journalistin und Kochbuchautorin zählt Hummus zu den Dingen, die sich die Israelis unberechtigterweise von den Palästinensern angeeignet hätten.

Neu ist übrigens weder die Aufwertung des Dips zum Friedenssymbol noch der Konflikt darüber. Bereits 2012 nahm sich der Dokumentarfilm Make Hummus, Not War des Themas an. Hier der Trailer dazu:

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Und was lernen wir daraus? Auch Essen bringt uns dem Weltfrieden nicht näher. Es wirkt noch nicht einmal verbindend, wenn das Trennende stärker im Fokus der Essenden steht. Aber es kann jede Menge Gefühle wecken. Auch kämpferische.

Übrigens ist auch das nichts Neues: In Wilhelm Hauffs 1827 erschienenem Märchen Der Zwerg Nase entzündet sich ein Krieg an einem Streit um ein Pastetenrezept. Wenigstens sitzen zum Schluss die Krieg führenden Fürsten an einem Tisch und essen zusammen Pastete. Dass die Parteien im Nahen Osten ihr Fladenbrot einträchtig in ein Schälchen Hummus dippen, ist vermutlich nicht so bald zu erwarten. Leider.

 

7 Gedanken zu “Krieg? Ach, Hummus drüber!

  1. Susanne

    Um die kulturellen Zusammenhänge von Hummus geht es, wenn ich mich recht erinnere, auch in „Jerusalem“ von Ottolenghi und Tamimi – immerhin kochen da ein Jude und ein Palästinenser in bester Eintracht…..

  2. twfiege

    Unter #hummuselfie sind im letzten Monat 233 Tweets geteilt worden, unter #hummusselfie 17, unter #hummuselfies nur 14 (via Topsy). Ich würde sagen es gibt einen Gewinner-Hashtag. Ausreißer gibt es immer. Beim selfie-relevanteren Instagram habe ich (noch) nicht geschaut.

    1. Sabine Schlimm Artikel Autor

      Merci – stimmt, die Zahlen sind eindeutiger, als ich dachte. Ich habe nur alle Hashtags angeguckt und festgestellt, dass unter allen gepostet wurde – und unter allen auch Artikel ÜBER die Bewegung erschienen waren.

  3. Pingback: Schmausepost vom 22. August 2014 - Newsletter | Schmausepost

  4. hafensonne

    „Unberechtigterweise“ – das ist ja der Hammer! Schon immer haben Völker bei Nachbarn und Einwanderern geluschert und sich die Köstlichkeiten abgeguckt, meist in die eigene Küche integriert und heimatgeschmacksnahe „optimiert“. Hummus wird einfach schon immer dort existiert haben, wo es Kichererbsen in großen Mengen gab, und wer da nun zuerst auf die Idee gekommen ist, das ganze zu schreddern, ist doch eigentlich vollkommen müßig.

    1. Sabine Schlimm Artikel Autor

      Na ja, „unberechtigterweise“ war jetzt meine Formulierung. Klar sind solche Diskussionen müßig. Aber wenn es um Dinge geht (ob Essen oder etwas anderes), die man sehr stark als Teil der eigenen kulturellen Identität empfindet, dann reagiert man vermutlich empfindlich, wenn die Nachbarn sagen: „Haben aber eigentlich wir erfunden.“ Wir haben bloß Glück, dass der Streit darüber, wer das Sauerkraut erfunden hat, zwischen Franzosen und Deutschen nicht (mehr) mit Waffen ausgefochten wird.

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