Wie ein Kochbuch entsteht I: Die Redakteurin
Wenn ich erzähle, was ich beruflich mache, werde ich immer wieder gefragt, wie das eigentlich so funktioniert mit dem Kochbuchmachen. Ob ich die Rezepte alle selbst gekocht habe? (Ja.) Ob ich die Fotos selbst mache? (Um Himmels willen, nein!) Oft sind meine Gesprächspartner auch erstaunt, dass ich schon im Frühjahr ein Manuskript abgeben muss, obwohl das fertige Buch doch erst im Herbst erscheint. Als ich deshalb Anfang des Jahres mit Seelenfutter vegetarisch* beschäftigt war, habe ich mir vorgenommen, nach Erscheinen eine kleine Blogserie zum „Making of“ dieses Kochbuchs zu veröffentlichen. Zu meiner großen Freude haben sich die Beteiligten dazu bereit erklärt, etwas über ihre Aufgaben beim Büchermachen zu erzählen.
Wenn ich „die Beteiligten“ sage, dann stimmt das übrigens nicht ganz. Zum Büchermachen gehören noch viel mehr Leute: die Redaktionsassistentin, die eine Menge Termine im Blick behält und Fäden im Hintergrund zieht; die Testköche und -köchinnen, die Rezepte unter Normalbedingungen in einer Privatküche prüfen; die Korrektorin, die am Schluss die Fehler findet, die alle anderen nicht mehr sehen; die Mitarbeiter_innen in Reproanstalt und Druckerei. Und das schönste Buch würde einem nachher nichts nützen, wenn es niemanden gäbe, der dazu beiträgt, es zu verkaufen: die Mitarbeiter_innen im Vertrieb, vor allem die freien Buchhandelsvertreter_innen; die Marketingabteilung, die für Werbemittel, Anzeigen und Kundenmagazine sorgt; die Presseabteilung, die für Aufmerksamkeit in den Medien sorgt; die Electronic-Publishing-Abteilung, die aus dem Buch gleichzeitig ein E-Book macht; die Onlineredaktionen, die immer wieder neue Aufhänger finden, um die Kunde vom Buch ins Internet zu bringen.
Ihnen allen bin ich sehr, sehr dankbar. Trotzdem habe ich mich für diese Serie darauf beschränkt, diejenigen vorzustellen, mit denen ich während der Entstehungszeit zu tun hatte. Für die Interviews mit ihnen habe ich versucht, Fragen zu stellen, die Einblicke ins Verlagsgeschäft geben. Manchmal habe ich dabei Dinge erfahren, die mir selbst gar nicht klar waren. Und wenn aus eurer Sicht noch Fragen übrig geblieben sind, dann stellt sie doch gerne in den Kommentaren!
So, jetzt geht’s aber los. Den Anfang macht die Frau, ohne die es das Buch nicht gäbe.
Alessandra Redies arbeitet als Redakteurin in der Redaktion Kochen & Verwöhnen im Gräfe und Unzer Verlag, den viele vor allem als die knallig gelbe Marke GU kennen. Das tat sie auch schon, als ich vor über zehn Jahren an meinem ersten Volontariatstag neugierig und ein bisschen eingeschüchtert die Redaktionsräume betrat und lernen wollte, wie man nun eigentlich Bücher macht. Sie hat mir viel beigebracht, und seit damals arbeiten wir regelmäßig an Buchprojekten zusammen: Sie mal in der Rolle der Redakteurin, mal in der der Autorin; ich häufig in der Rolle der Lektorin, aber auch gelegentlich in der der Autorin. Wie jetzt bei Seelenfutter vegetarisch.
Alessandra, erzähl doch noch mal, wie es überhaupt zu Seelenfutter vegetarisch kam.
Na ja, Seelenfutter vegetarisch ist ja so was wie die natürliche Fortsetzung von Seelenfutter, das letztes Jahr erschienen ist. Als das erste Buch so gut ankam, war schnell klar, dass wir nachlegen wollen. Insofern entstand die eigentliche Idee für ein Buch voller Koch-dich-glücklich-Rezepte vor Seelenfutter, und das war für mich so ein Idealfall der Programmplanung: wenn nämlich eine Idee aus der Redaktion auf eine ganz ähnliche trifft, die von außen kommt.
Du hattest mir ja irgendwann mal nebenbei erzählt, dass du über ein Buchkonzept à la „Kochen für Regentage“ nachdenkst – eben ein Kochbuch für Seelentröster und Glücklichmacher. Und dann gab es diesen Moment in der Redaktion, wo wir bei der Programmplanung das Gefühl hatten, jetzt ist auch mal langsam gut mit den vielen Büchern zu schlanker und gesunder oder höchstens noch superschneller Küche – es muss auch mal wieder was zum Wohlfühlkochen her. Denn der Trend zum Cocooning, also zum Einigeln zu Hause mit Familie und Freunden, ist ja schon sehr stark. Jedenfalls habe ich mich dann an deine Idee erinnert und dich gebeten, doch mal ein Konzept zu schreiben. Als ich das in den Händen hielt, habe ich gesehen, dass wir tatsächlich in die gleiche Richtung denken.
Ich habe das Konzept dann auf einer unserer Programmplanungsrunden vorgestellt, wo Redaktion, Geschäftsführung, Vertrieb und Presse zusammensitzen und entscheiden, welche Bücher in der nächsten Zeit erscheinen sollen. Zur Vorbereitung hatte ich ein Moodboard geklebt, also mit Fotos aus Zeitschriften und Büchern eine Collage gemacht, die Idee und Stimmung des Buches einfangen sollte. Als ich mit der Präsentation dran war, hatten wir schon Stunden getagt, es war Mittag, und allen hing der Magen sonstwo. Die Runde hörte sich das Konzept an, sah das Moodboard mit den vielen verführerischen Seelenfutter-Bildern – und das Thema war gekauft!
Und nachdem die Entscheidung gefallen ist, ein Buch ins Programm zu nehmen – was sind dann genau weiter deine Aufgaben? Zum Beispiel bei „Seelenfutter vegetarisch“?
Als Redakteurin bin ich beim Büchermachen im Grunde Projektleiterin, das heißt, ich halte die Fäden in der Hand. Ich koordiniere die vielen verschiedenen Beteiligten an einem solchen Buchprojekt und schaue darauf, dass das, was da entsteht, am Ende auch dem entspricht, was wir uns im Verlag darunter vorgestellt haben.
Das fängt damit an, dass ich Autoren, Lektoren und Fotografen suche. Gut, bei „Seelenfutter vegetarisch“ war schon klar, dass Susanne Bodensteiner und du wieder ein Autorenteam bilden würdet, und Lektorat und Satz sollten auch wieder zusammen von Martin Knipping übernommen werden. Das Fototeam vom letzten Mal – Fotografin Julia Hoersch, Foodstylistin Petra Speckmann und Stylistin Miriam Geyer – konnte dieses Mal allerdings nicht dabei sein, weil es Terminkollisionen mit einem anderen Projekt gab. Deshalb habe ich Mona Binner als Fotografin für „Seelenfutter vegetarisch“ ins Boot geholt.
Dann ging es daran, das Konzept von „Seelenfutter“ an das neue Buch anzupassen und die Rezepte auszuwählen. Dazu gingen ziemlich viele Mails zwischen mir und euch Autorinnen hin und her, und ich hatte wirklich die Qual der Wahl, aus euren vielen Rezeptvorschlägen die endgültigen Rezeptlisten zu erstellen.
Die standen noch gar nicht endgültig, als ich schon das erste fertige Rezept brauchte: Das Gericht für das Buchcover wird schon viel früher fotografiert als der Rest, weil gerade die Titelbilder im Verlag durch viele Abstimmungsrunden gehen. Schließlich möchte man vorne etwas drauf haben, was dazu beiträgt, dass die Leute nachher in der Buchhandlung sofort Appetit bekommen. Die Quesadilla mit ihren tollen Käsefäden sieht ja superappetitlich aus. Trotzdem haben wir länger diskutiert, ob sie das ideale Covergericht ist. Wirkt sie nicht zu sommerlich für einen Herbsttitel? Und sieht sie wirklich so aus, als könnte man davon satt werden? Es hat etwas gedauert, bis die Entscheidung für die Quesadilla endgültig getroffen war.
Im April habe ich dann die Manuskripte von euch Autorinnen bekommen, gründlich gelesen und an den Lektor gegeben. Das ist für mich ja nur der erste Durchgang – bis so ein Buch fertig ist, habe ich es in der Regel drei-, viermal gelesen: vor dem Lektorat, nach dem Lektorat, nach dem Setzen …
Ich sorge außerdem dafür, dass die Rezepte von unseren externen Probeköchen und -köchinnen getestet werden. Das lektorierte Manuskript geht an das Fototeam. Hier war es zu dem Zeitpunkt schon gesetzt, weil ja Lektorat und Satz in diesem Fall in einer Hand lagen. So ein Umbruch, also ein gesetztes und layoutetes Manuskript, sieht dann schon fast ein bisschen nach Buch aus; umso mehr, wenn später die Fotos drin sind. Zum Schluss, wenn ich als Redakteurin und der Lektor alles schon so oft gelesen haben, dass wir Fehler nun wirklich nicht mehr sehen würden, geht alles an eine Korrektorin. Deren Korrekturen und die letzten Anmerkungen der Autorinnen trage ich dann in einem Exemplar zusammen – und nachdem alle ausgeführt sind, kann das Buch in Druck gehen.
Gleichzeitig zur Arbeit am eigentlichen Buchinhalt bin ich damit beschäftigt, die Weichen dafür zu stellen, dass Vertrieb, Marketing und Presseabteilung alle Infos bekommen, damit sich das Buch nachher gut verkaufen lässt: Ich präsentiere den Titel auf der großen Vertreterkonferenz den Verlagsvertretern, die ihn später ihrerseits den Buchhändlern präsentieren müssen. Ich schreibe den Rückseitentext, den die Leute in der Buchhandlung später als Erstes lesen, und den Text, der als Kurzinformation beispielsweise bei Amazon angezeigt wird. Ich kontrolliere, wie das Buch im Verlagsvorschaukatalog vorgestellt wird, und überprüfe den Pressetext.
Und wenn das Buch dann endlich erscheint und die ersten Exemplare bei uns im Verlag ankommen, dann finde ich es zwar toll, das Ergebnis der vielen Arbeit in der Hand zu halten – aber viel Zeit zum Blättern habe ich dann nicht. Denn zu diesem Zeitpunkt stecke ich schon mitten in der Arbeit an den nächsten Büchern.
Wie lange hat es bei „Seelenfutter vegetarisch“ von der Idee bis zum fertigen Buch gedauert?
Die Entscheidung, dass wir das Buch machen, fiel im Dezember 2013 – ungewöhnlich kurzfristig für einen Titel fürs Herbstprogramm 2014. Das lag daran, dass sich in unserer Programmplanung etwas verschoben hatte und plötzlich eine Lücke frei wurde. Von da bis zum Erscheinen hat es ziemlich genau neun Monate gedauert – das ist rekordverdächtig schnell. Sonst haben Bücher von der Idee bis zum Erscheinen schon mal anderthalb Jahre Vorlauf.
Woher kommen denn eigentlich sonst Ideen für neue Kochbücher?
Viele entwickeln wir in der Redaktion, indem wir Trends beobachten und auch schauen, was in Zeitschriften oder im Ausland gerade angesagte Themen sind. Andere Ideen werden uns von unseren Stammautorinnen und -autoren vorgeschlagen. Und dann gibt es auch noch den Fall, dass uns von außen Themen eingereicht werden, die wir vielversprechend finden. Allerdings kommt das relativ selten vor – die meisten der „unverlangt eingesandten Manuskripte“ (wie es im Verlagsjargon heißt) passen leider nicht zu uns oder bedienen Nischenthemen, für die wir keine ausreichenden Verkaufschancen sehen.
Und was ist dein persönliches Lieblingsseelenfutter?
Da kommt die Schwäbin in mir zum Vorschein: Es geht nichts über Linsen mit Spätzle und Saitenwürschtle!
Danke für dieses Interview, Alessandra!
Das sind die Folgen der Serie “Wie ein Kochbuch entsteht”:
4.11.14 Wie einKochbuch entsteht I: Die Redakteurin
11.11.14 Wie ein Kochbuch entsteht II: Autorin Susanne Bodensteiner
14.11.14 Wie ein Kochbuch entsteht III: Mein persönliches Making of
18.11.14 Wie ein Kochbuch entsteht IV: Der Lektor und Setzer
25.11.14 Wie ein Kochbuch entsteht V: Das Fototeam
2.12.14 Wie ein Kochbuch entsteht VI: Die Herstellerin
- Vegetarisches Seelenfutter: Blogevent mit Verlosung
- Fernweh-Fortsetzung: Kartoffel-Blumenkohl-Curry
… coole Serie, Sabine. Hab ich gleich bei mir verlinkt.
Wow, danke! :-)
Interessanter Bericht, wie es hinter den Kulissen abläuft. Für mich aber auch entlarvend, wie „Marketing -Kochbücher“ produziert werden. Marktgängigkeit, nah am Trend, hübsche Fotos und dann raus damit, nächste Saison im MA verramscht. Wenn ich die rosa-bonbonfarbenen Stapel der Cakepop-Dessert-Bücher mit ihren hübschen Autorinnen am Cover in den Buchhandlungen sehe, wird mir schlecht. Das Kochbuch als Kulturgut? Eher Konsumgut! Aber vielleicht lassen sich so ja die wirklich guten Kochbücher querfinanzieren, die sich vermutlich nicht so gut verkaufen…
Ist ja spannend, dass Du das entlarvend findest, Thomas – danke für Deinen Kommentar! Ich gehöre ja zu denen, die vom Büchermachen (und noch einigem anderen) leben; für mich ist daher ganz selbstverständlich, dass ein Verlag ein Wirtschaftsbetrieb ist. Und der publiziert das, wofür es einen Markt gibt, ja. Für mich ist das nichts Verwerfliches. Ich freue mich aber jeden Tag darüber, dass es das Internet gibt, in dem auch veröffentlicht werden kann, was (qualitative oder sonstige) Nischen bedient. Das ist eine große Bereicherung.
So eine schnelle Antwort!
Nein – Marktorientierung ist für mich nicht verwerflich. Das was mir jedoch auffällt ist, dass gerade im Kochbuchsegment die Zielgruppenorientierung extrem zugenommen hat. Ich denke damit tun sich manche Verlage längerfristig keinen Gefallen. Aber vielleicht will der durchschnittliche Buchkäufer auch gar kein Kochbuch mehr, das er in 10 Jahren auch noch benutzen kann. Dennoch möchte ich den Verlagen eine gewisse Verantwortung zur Qualität nicht absprechen, sonst gibt es keine Grund mehr für die Buchpreisbindung. Und wo das reine „für den Markt“ produzieren hinführt, sieht man bei uns leider bei den Lebensmitteln. Danke jedenfalls für den ersten Teil der Artikelserie, werde das weiterverfolgen!
Liebe Sabine, das ist wirklich eine spannende Serie und ich freue mich schon auf die Fortsetzungen. Beste Grüße aus Salzburg, Claudia
Freut mich, dass Dir der Auftakt zur Serie gefällt! Schau gern wieder vorbei.;-)
Tolle Serie! Wann hat man sonst schon die Möglichkeit so intensiv hinter die Kulissen zu schauen? Ich freu mich auf die Fortsetzungen!
Dann bin ich ja gespannt, ob Dir die nächsten Folgen genauso gut gefallen. Ich freue mich jedenfalls, dass Du mitliest!
Eine schöne Idee diese Serie – ich bin schon gespannt, wie es weiter geht und was die anderen Beteiligten so zu berichten haben… wobei mich ja so ein paar Geschichten aus der Testküche auch reizen würden ;)
LG,
Katha
(die sich selbst zu den durchschnittlichen Kochbuchkäufern zählt und die sich gerne regelmäßig neue, interessante Kochbücher zu spannenden Themen ins Regal stellt)
Geschichten aus der Testküche gibt es – dazu werde ich etwas erzählen. ;-)
Dsa ist ja mal eine schöne Idee mit dem Blick hinter die Kulissen! Freue mich schon auf die Fortsetzungen :-)
Danke, Petra! Und: ich mich auch. Bei so viel nettem Zuspruch!
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