Mit Essen spielen

Auf diesem Thema muss ich noch mal ein bisschen herumreiten. Seit ich mich mit kulinarischen Witzen beschäftige, begegnen mir allüberall Spielereien mit Essen. Und je mehr mir begegnen, desto weniger systematisch kommt mir vor, was ich witzig finde und was nicht. Also dachte ich, ich präsentiere euch mal eine Linksammlung, ihr guckt und sagt mir dann, worüber ihr so lachen könnt. Und worüber nicht.

Der Künstler Christopher Boffoli lässt kleine Menschen in Lebensmittellandschaften agieren. Über die Inspiration für seine Fotos schreibt er:

Though we’re exposed to arguably more food multiculturalism than any other generation, the vast majority of us tend to eat from the same prosaic revolving menu that is fast and easy if not always especially nutritional.  Yet we continue to consume vast quantities of food-related media, perhaps to voyeuristically satisfy our unrealized intentions.  Our eyes process the sensual experience of food that our mouths and noses have forgotten.  So perhaps it is especially fitting for food to become nothing but an aesthetic backdrop for a world of tiny figures […].

 

Mehr als alle früheren Generationen sind wir umgeben von Essen aus allen möglichen Kulturkreisen. Und trotzdem beschränken sich die meisten Menschen auf einen relativ eintönigen Speiseplan mit ewig den gleichen schnellen und einfachen, aber nicht immer besonders gesunden Gerichten. Auf der anderen Seite konsumieren wir jede Menge Food-Medien – vielleicht, um durch einen gewissen Voyeurismus unsere eigenen nicht umgesetzten Absichten zu kompensieren. Die sinnliche Erfahrung des Essens machen wir nur noch mit den Augen. Mund und Nase haben sie längst vergessen. Vielleicht also passend, dass Essen hier nichts weiter ist als Kulisse für winzige Figuren […].

Boffolis Fotos erinnern übrigens sehr an die Little People von Slinkachu, dessen etwas eigene Theorie über den Herstellungsprozess von Weintrauben gerade im Netz die Runde macht.

Ebenfalls an mehreren Stellen bin ich auf das Museum of Modern Mett gestoßen; zuerst möglicherweise bei Maximilian Buddenbohm. Kunst aus Mett. Well, well. Offenbar echte Liebhaberwerke.

Dazu passt diese essbare Weihnachtskrippe. Danke an meine Schwester für den Hinweis darauf!

Wer zu Weihnachten keine ganze Krippe aus Lebensmitteln gebastelt kriegt, beschränkt sich auf einzelne Kerzen. Der Candle Salad scheint da eine lange Tradition zu haben. (Zuerst gesehen habe ich ihn bei Petra Foede, in der „Hitliste der schrägsten Gerichte“ der Retroküche vom 2. September 2010.)

Falls Ihr übrigens dachtet, der aus der Möhre geschnitzte Drache beim Chinesen sei der Gipfel der Gemüseschnitzkunst, dann schaut euch mal das hier an. Wird Kitsch dadurch erträglicher, dass man ihn aufessen kann? Ich weiß nicht.

Dagegen wirken diese hübschen Schnittchen geradezu rührend kindlich. Aber irgendwie auch weniger unfreiwillig und mehr wirklich komisch. Den Link hat Daniela Warndorf auf Gemacht mit Liebe gepostet.

Und wenn alle ihre essbaren Witze aufgegessen haben, dann gibt’s immer noch jemanden, der aus dem Chaos auf dem unabgeräumten Tisch Kunst (oder so was) macht: Die französische Künstlerin Vivi Mac zeichnet Porträts aus verschütteten Flüssigkeiten.

So. Wirklich lachen musste ich über Boffoli und Slinkachus Weintrauben. Wenn ich lange genug durch die Mettkunstwerke blättere, zuckt auch das eine oder andere Mal der Mundwinkel ‒ selbst wenn ich diese Mengen an Fleisch eher abstoßend finde. Und das eigentlich genau die Art von Spielerei mit Essen ist, die für mich unter „unnötig“ fällt.

Und jetzt ihr: Was findet ihr witzig? Und was nicht? Und habt ihr da eine schlüssige Linie?

Ergänzung (18.08.13):

Eins habe ich noch, stellvertretend für all die Spielereien mit Lebensmitteln, die damit begründet werden, dass man so Kinder zum Essen bewegen könnte: Kinderbentos. Während der ältere Nachwuchs also gelegentlich und zumindest phasenweise erklärt, nichts essen zu wollen, was mal Augen hatte, scheint der jüngere nichts essen zu wollen, was keine Augen hat. Oder glauben das nur die Eltern?

 

 

 

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11 Gedanken zu “Mit Essen spielen

  1. Eva

    Das Zitat von Boffoli trifft ganz gut, was ich diffus auch schon die ganze Zeit denke und noch nicht in Worte fassen konnte. Wie gut, dass ich zu der Minderheit gehöre, die noch mit allen Sinnen genießt und ständig Neues probiert. :-)

    1. Sabine Schlimm Artikel Autor

      Ja, das Zitat fand ich auch sehr nachdenkenswert! Angesichts der Allgegenwart von unglaublich verführerischen Rezepten kann ich mich allerdings von dieser Tendenz zu „nicht umgesetzten Absichten“ auch nicht freisprechen. Da beschäftige ich mich dann schon mal den ganzen Tag (ja auch beruflich) mit köstlich klingenden Sachen, und abends gibt’s vor lauter Erschöpfung dann Spaghetti aglio e olio. (Auch lecker, allerdings.)

  2. waltraut

    Man muss nur zu Halloween Food eine Bildersuche starten und es kommen die unglaublichsten und ekligsten Spielereien mit Nahrungsmitteln. Kastenkistchenkuchen zum Beispiel: http://www.dvo.com/newsletter/monthly/2004/october/jest.html oder Gehirn aus Jelly, blutige Finger usw als Halloweenpartyknüller.
    Interessanteklig auch Helga Petrau-Heinzels Kunst aus Marzipan http://www.odditycentral.com/pics/artist-makes-stomach-turning-art-out-of-marzipan.html
    Bevor sich der Magen umdreht lobe ich mir doch Madame Tricot und ihre gestrickten Desserts, Würste und Gemüse. http://www.tricotgourmand.blogspot.ch/

    1. Sabine Schlimm Artikel Autor

      Danke, Waltraut, für diese Ergänzungen! Die Marzipansachen sind ja wirklich nur was für den starken Magen, wow. Aber gleichzeitig auch sehr beeindruckend. Ich glaube, über die Künstlerin muss ich mal mehr in Erfahrung bringen.

  3. Anette

    Nenn mich spaßbefreit, aber das meiste davon finde ich – irgendwie überhaupt nicht lustig. Ich bin wohl doch der Meinung (inzwischen!), dass Essen zum Essen da ist – und nicht zum Rummatschen. Bei vielen Dingen denke ich: Wenn sie so stundenlang modelliert worden sind, dann will man sie doch auch gar nicht mehr essen, oder? Und dann – wird’s weggeschmissen. Es gab mal so ’nen Bericht bei Spiegel Online zu StudentInnen, die in der Mensa aus den unappetitlichen Resten lustige Figuren gelegt haben (http://www.spiegel.de/fotostrecke/mensa-kunst-mariosotto-carrotiger-pacmedaillon-fotostrecke-75747-4.html) – das finde ich irgendwie nicht cool. Wenn sie es nicht mögen, dann sollen sie es doch lassen.
    Und die vielfältigen Varianten, möglichst lustige Bentos für Kinder zuzubereiten – da frage ich mich, ob diverse Kinder nicht lieber lernen sollten, wie Essen aussieht, wenn es nicht stundenlang behandelt wurde – mal abgesehen davon, dass z.B. vernünftiges Brot sich nur schwer mit Plätzchenausstechern in lustige Formen drücken lässt… Naja. Da könnte ich mich stundenlang drüber aufregen.
    Aber was finde ich denn lustig? Die Werke von Boffoli fand ich schon cool, danke für den Link. Aber dann denke ich halt doch wieder – ist halt Essen, keine Knetmasse oder so.
    Nennt mich Spaßbremse.

  4. Chawwa

    Liebe Leute, ich wage es, mich zu outen: Auch ich bin eine Spaßbremse! Obwohl ich bezweifle, dass es mir im wörtlichen Sinne möglich ist, den Spaß am sinnlos verschwendenden, „künstlerischen“ Umgang mit Lebensmitteln zu bremsen. Ich versuche es trotzdem, indem ich nicht mitmache und es in der Öffentlichkeit eines Internetblogs schreibe: Ich halte es für ein lebensverachtendes, menschenunwürdiges Verhalten, mit Lebensmitteln so umzugehen. Dabei ist es durchaus kein „moderner“ Zivilisationsauswuchs. Irgendwo in diesem Blog wurden schon einmal die barocken Prachttafeln erwähnt, und auf den Bacchanalien im Alten Rom ging man auch nicht zimperlich mit Speisen um. Aber ist es – weil immer schon geschehen – auch gut und richtig? Und was ist eigentlich das „Lustige“ an der „Lebensmittelkunst“? Fänden wir die Kunstwerke auch lustig, wenn denn überhaupt, wenn sie nicht aus Lebensmitteln, sondern aus nicht essbarer Knetmasse (Fimo oder Ähnlichem) hergestellt worden wären? Ganz sicher nicht! Hier wird ja wohl ganz mit Absicht etwas zusammengebracht, was nicht zusammengehört. Und das soll lustig sein????? Diese „Kunst“ könnte ja auch eine Anfrage an unsere Wertvorstellungen sein und damit Kunst im guten Sinn: anregend, aufrüttelnd – auch und ganz besonders wenn sie dazu führt, sie abzulehnen!
    Entschuldigt meinen Ausbruch. Wie meine „Vorschreiberin“ Anette könnte ich mich stundenlang über die Verschwendung von Lebensmitteln aufregen – deswegen habe ich auch so lange mit meinem Kommentar gebraucht, so lange, dass der Blog schon thematisch weitergewandert ist…..

  5. Anette

    Wobei ich ja durchaus finde, dass Essen auch ein Mittel zur Verfremdung sein kann. Aber doch bitte nicht aus Lebensmitteln. Ich finde z.B. den von waltraut geposteten Link auf die gestrickten Würste echt gut. Ich liebe daheim mein Wurst-Mobile besonders, das als einziger Schmuck in meiner Küche hängt: http://www.edition8x8.info/mobiles/mobiles.html
    Und was ich schon ganz lange stricken will und nur noch nicht getan habe, weil das Garn so furchtbar dünn ist: http://www.knitty.com/ISSUEss12/FEATss12SIT.php
    Also. Sowas find ich lustig. Und kann mich damit sehr vergnügen. Auch beim Essen :-)

  6. Chawwa

    Ja, das finde ich auch lustig – gehäkelte Bananen (für den Kinderkaufladen) oder meinen Antistresskürbis aus was-auch-immer für einem elastischen Material in Jonglierballgröße zur Handgymnastik (liegt neben dem Computer und wird immer mal wieder gedrückt, wenn ich zu viel getippt habe) – aber darum geht es mir ja gar nicht. Es geht mir um Lebensmittel, die sinnlos zweckentfremdet und damit der Ernährung entzogen werden. Übrigens gehört in diese Kategorie meines Erachtens auch der viele Mais, der neuerdings zur Energiegewinnung in Biogasanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen angebaut wird, die dann zum Anbau von Lebensmitteln nicht mehr zur Verfügung stehen. Und das wird dann auch noch mit EU-Mitteln gefördert! Und natürlich die vielen Feldfrüchte, die untergepflügt werden, „wenn der Markt einbricht“……
    Von „Kunst“ haben wir uns damit natürlich schon weit entfernt – aber beides zeigt, dass wir uns von der Wertschätzung von Lebensmitteln auch schon sehr weit entfernt haben.

  7. Sabine Schlimm Artikel Autor

    Ich glaube, von der Wertschätzung von Lebensmitteln sind vermutlich alle weit entfernt, die nicht (unfreiwilligen) Hunger kennengelernt haben. Diese Spielereien machen es nur sichtbar.
    In meinem ersten Artikel zum Thema Lachen übers Essen (hier: http://blog.punktkommatext.de/wenn-essen-zum-lachen-ist/) war ich ja auch zu dem Ergebnis gekommen: Alles, wobei Lebensmittel verschwendet werden ‒ nicht lustig.
    Und dann habe ich mich dabei erwischt, wie ich trotz eigentlich fester Grundsätze (nichtlustignichtlustig) plötzlich über die schiere Abstrusität der Mettskulpturen grinsen musste. Das ist vermutlich total dekadent, das stimmt. Trotzdem frage ich mich, woran es liegt, dass offenbar sehr, sehr viele Menschen so etwas richtig witzig finden (wenn man mal als Maßstab nimmt, was das für eine Verbreitung im Internet findet). Und manche zumindest ein ganz kleines bisschen, auch wenn sie es eigentlich ablehnen.
    Ist es die schiere Lust am Tabubruch? Denn dekadent hin oder her, verinnerlicht haben wir das glaube ich alle, dass man mit Essen nicht spielt.
    So einfach ist das Thema nicht, finde ich.

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