Marseille für Foodies: 12 kulinarische Entdeckungen (Teil 2)
Allmählich bin ich wieder ganz in meinem deutschen Alltag angekommen, und fast alle kulinarischen Mitbringsel aus meinem Marseille-Aufenthalt im Januar und Februar sind inzwischen aufgegessen. Umso wichtiger, die schönen Erinnerungen wach zu halten!
Deshalb kommt hier der zweite Teil meiner genüsslichen Entdeckungen in Südfrankreich.
Das schönste Haushaltswarengeschäft: Maison Empereur
Gleich der erste Tipp führt allerdings an einen Ort, an dem es gar nichts zu essen gibt. Also, wenn man mal von ein paar ganz wenigen Spezialitäten wie Bonbons absieht. Nein, im Maison Empereur werden eher Koch- und Backträume geweckt, denn wenn ihr seid wie ich, dann würdet ihr all die hübschen Backformen und Pastetenkamine, die gusseisernen Pfannen und scharfen Messer, die Käsedosen und Butterstempel am liebsten gleich ausprobieren. Dabei belegt diese Foodie-Wunderkammer nur einen Teil der Ladenfläche. Das Geschäft, gegründet 1827 und damit angeblich Frankreichs älteste Eisenwarenhandlung, ist eine Art begehbarer Manufactum-Katalog. Auf Französisch.
Hier gibt es gefühlt alles, von handgeklöppelten Staubwedeln über schmiedeeiserne Türschlösser bis hin zu Endlos-Geschirrtüchern als Zuschnittware. Dazu klassische Kaffeekannen, nostalgisches Spielzeug und natürlich Marseiller Seife in allen nur denkbaren Varianten.
Dass ich im Endeffekt nur ein einziges kleines Tellerchen gekauft habe, lag schlicht an Überforderung durch zu viele Wünsche. Bis zu meinem nächsten Besuch entscheide ich, ob ich einen gusseisernen Schmortopf, eine kupferne Pudding-und-Backform in Fischform oder lieber doch das Maronenöfchen für den (nicht vorhandenen) Kamin haben möchte. Aber auch wenn man nichts oder nur eine Kleinigkeit kauft, lohnt es sich, durch die verschachtelten Geschäftsräume zu wandern und lauter schöne und nützliche Dinge zu entdecken. (Ob ich doch noch Porzellanschneckenhäuser zum stilechten Servieren von Schnecken brauche?)
Maison Empereur, 4, rue des Récolettes (Verlängerung der Rue d’Aubagne zur Canebière hin), 13001 Marseille. Geöffnet Montag bis Samstag 9 bis 19 Uhr (ohne Mittagspause, juchhu!)
Markt auf dem Cours Julien
Die ersten Märkte, die ich in Marseille ansteuerte, fand ich eher enttäuschend. Der auf der Place des Capucins: eine Doppelreihe Stände, die x-beliebiges Obst und Gemüse vom Großmarkt anboten. Der Markt, der quasi vor meiner Haustür auf der Place Jean Jaurès (La Plaine) stattfand: lauter Billigklamotten, Plastikküchenramsch und anderes vom Lkw gefallenes Zeug und nur ganz am Ende zwei, drei Obst- und Gemüsestände. Immerhin: einer mit Oliven – dazu unten mehr.
Und dann entdeckte ich den Markt, der immer mittwochs auf dem Cours Julien stattfindet, dem inoffiziellen Zentrum des Stadtteils La Plaine. Dieses Viertel – mein Zuhause auf Zeit – habe ich gleich ins Herz geschlossen. Hinter bunt bemalten Wänden liegen kleine Lädchen, die Trödel, Designereinzelstücke und kreativen Schnickschnack verkaufen – ach ja, und Biolebensmittel. Abends sitzen die Menschen vor den Kneipen, und wenn dann jemand eine Geige auspackt und anfängt zu spielen, wundert es niemanden. Im Umkreis von zwei Fußminuten kann man französisch, pakistanisch, ukrainisch, creolisch, senegalesisch und griechisch essen gehen. Ein lebendiges, buntes, internationales, studentisch-lebenskünstlerisches und wohl auch leicht gentrifiziertes Viertel also; „das Kreuzberg von Marseille“, hatte ich vorher irgendwo gelesen.
Der Mittwochsmarkt passt dazu: eine kleine Ansammlung von Ständen, an denen alles bio oder zumindest regional und unglaublich handgemacht ist. Hier gibt es gefühlt zehn Sorten glutenfreies Brot (neben nicht glutenfreiem Holzofen-Sauerteigbrot), alte Apfelsorten, Grünkohl für den grünen Smoothie und Käse von handgestreichelten Schafen. Beim Metzger ist schon um halb zwölf der Stand komplett leer gekauft, der Fischhändler bietet an, was halt in die Netze gegangen ist (plus Austern und Miesmuscheln), und die selbst gemachten Brotaufstriche kann man selbstverständlich probieren. Alles ein bisschen teurer als anderswo, aber unglaublich inspirierend. Und ich bin verdammt froh, dass mein Französischkurs immer mittwochs Pause hatte!
Cours Julien, mittwochs 7 bis 13 Uhr
Picholine-Oliven mit Fenchel
Ein Highlight hat aber auch der Markt auf der Place Jean Jaurès zu bieten: den Olivenstand. Denn dort habe ich endlich mal wieder meine Lieblingsoliven gefunden. Es sind grüne Picholine-Oliven, die angedrückt und mit Fenchelsamen eingelegt werden. Der mild-fruchtige Geschmack mit dem leichten Anisaroma des Fenchels ist mir über Jahre hinweg im Gedächtnis geblieben, seit ich diese kleinen, feinen Oliven mal bei einer Freundin mit Verbindungen zu einem Importeur französischer Spezialitäten kennengelernt habe. Sie jetzt wiederzuentdecken hat mich richtig glücklich gemacht. Diese besonderen Oliven gibt es in Marseille (und in der ganzen Provence) relativ häufig. Ich liebe sie!
Basar-Atmosphäre rund um die Place des Capucins
Wenn es um interessante Märkte in Marseille geht, wird immer der auf der Place des Capucins genannt. Wie gesagt: Ich fand ihn enttäuschend, klein und voller Massenware. Trotzdem bin ich gerne zu dem Platz spaziert, denn dort fühlte ich mich auf direktem Weg nach Nordafrika versetzt. Um die unspannenden Marktstände herum und in den Nebenstraßen liegen nämlich lauter kleine und größere Läden, die auch in einem algerischen oder tunesischen Souk zu Hause sein könnten.
Hier sind knallbunte, duftende Gewürze zu kleinen Hügeln aufgehäuft, dort werden neben Oliven auch marokkanische Salzzitronen offen angeboten. Neben dem Fischgeschäft macht der Halal-Metzger gute Geschäfte, und auf einem Klapptisch häufen sich Minze und Koriander zu grünen Gebirgen. Und wer vom Shoppen erschöpft ist, findet bei einem der orientalischen Konditoren sicher eine zuckrige Kleinigkeit, um weiterzustöbern.
Das Publikum passt dazu. Hier kann man durchaus älteren Männern im Kaftan und mit langem Bart begegnen, die auf Lederschlappen, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, gemächlich durch die Straße laufen.
Durch die Rue Longue des Capucins gelangt man vom Markt auf die Rue d’Aubagne, und auf der kann man gewissermaßen von Nord- nach Schwarzafrika spazieren. Anfangs, nahe der Canebière, gibt es Couscous, tunesische Dattelrollen, Gewürze und nordafrikanische Töpferwaren, weiter oben folgen kleine Schneidereien, in denen bunte Stoffe verarbeitet werden, senegalesische und ivorische Restaurants und Imbisse und Friseure mit Schwerpunkt Flechtfrisuren. Eine wunderbare Straße und meine liebste Verbindung zwischen Canebière und meinem vorübergehenden Zuhause im Viertel La Plaine!
Gerstencouscous bei La Fémina
Laufen wir noch einmal zurück, die Rue d’Aubagne hinunter Richtung Canebière. Irgendwann ändert sie ihren Namen und heißt dann Rue des Récolettes, und jetzt sind es nur noch ein paar Schritte am Maison Empereur vorbei, bis wir an der Ecke der Rue du Musée vor dem Restaurant Fémina stehen. Hoffentlich mit Hunger, denn hier gibt es Couscous! An sich nichts Ungewöhnliches in Marseille (und ganz Frankreich), aber erstens wird das traditionelle nordafrikanische Gericht in diesem Restaurant schon seit 1921 und aktuell von der 4. Generation der Familie Kachetel serviert. Und zweitens gibt es hier nicht nur den üblichen Weizencouscous, sondern auch solchen aus Gerste (couscous d’orge), der in der algerischen Kabylei beheimatet ist und den es außerhalb Algeriens kaum gibt.
Wie er schmeckt? Etwas nussiger, und die Konsistenz ist körniger als die von Weizencouscous. Ich mochte ihn sehr. Dazu gibt es, wie üblich, geschmortes Gemüse im würzigen Sud, hier ergänzt durch Linsen, Kichererbsen und Bohnen. Und natürlich Fleisch (vom geschmorten Lamm über Frikadellen bis hin zu Merguez) oder Fisch. Alles in allem eine sehr befriedigende Mahlzeit! Und das finden offenbar nicht nur Touristen, sondern auch reichlich Stammkunden, die mit Küsschen begrüßt und besonders bevorzugt behandelt werden. Daran arbeite ich noch. Einstweilen ist es durchaus sinnvoll, abends zu reservieren!
Restaurant Le Fémina (Chez Kachetel), 1, Rue du Musée, täglich außer Sonntagabend und Montag 12 bis 15 Uhr und ab 19 Uhr
Sterneküche im „Une Table, Au Sud“
Den kulinarischen Höhepunkt der klassischen Art habe ich mir bis zuletzt aufgehoben. Buchstäblich am Tag der Abreise aus Marseille habe ich mit M. zur Feier des Wiedersehens im „Une Table, Au Sud“ einen langen, genüsslichen Mittag verbracht. Draußen glitzerte das Wasser im Alten Hafen, direkt vor dem Fenster drehte sich das Riesenrad, und drinnen zog eine Parade von Köstlichkeiten in gemächlichem Tempo an uns vorüber. In der Küche des Restaurants steht Ludovic Turac, ein junger Provenzale, der sich schon mit 26 Jahren einen Stern erkocht hat. Saisonale, regionale Küche schreibt er sich auf die Fahnen – gut, das tun viele; bei unserem Besuch fanden sich tatsächlich die süßlich-erdigen Aromen winterlicher Wurzeln und Knollen auf dem Teller wieder. Zum Beispiel in der Vorspeise, geräucherter Entenbrust auf Selleriesalat mit Oliven-„Erde“, oder beim Loup de Mer auf Wurzelgemüse mit Spinat.
Experimente gab es hier nicht; jeder Gang kam klassisch daher – aber eben klassisch hervorragend. Perfekt gegarter Fisch, toll aufeinander abgestimmte Aromen, einfach ein großer Genuss. Und dabei ist das Mittagsmenü (3 Gänge plus Gruß aus der Küche) mit 32 Euro (mit Weinbegleitung: 49 Euro) wirklich erschwinglich! Kein Wunder, dass mir dieses Abschiedsessen die Abreise aus Marseille etwas leichter gemacht hat: weil ich hundertprozentig genau wusste, dass ich wiederkommen werde.
Une Table, Au Sud, 2 Quai du Port, 13002 Marseille; Montag bis Samstag ab 19:30, mittags Dienstag bis Sonntag 12 Uhr bis 13:30 Uhr
Das waren meine persönlichen kulinarischen Highlights aus fünf Wochen Marseille. Den ersten Teil findet ihr hier: Marseille für Foodies: 12 kulinarische Entdeckungen (Teil 1). Und ich bin gespannt, was ich darüber hinaus beim nächsten Besuch dort entdecken werde!
Noch mehr Marseille-Tipps gibt es übrigens im Blog Mein Frankreich.
- Marseille für Foodies: 12 kulinarische Entdeckungen (Teil 1)
- Frühling auf dem Brot: Spargel-Kürbiskern-Aufstrich (ja, vegan!)
Mit Verspätung entdeckt, aber darum nicht mit weniger Begeisterung gelesen: danke für deine tolle zweiteilige Foodie-Tour durch Marseille. Ich liebäugele schon lange mit einer Reise dorthin (ein paar Wochen dort zu arbeiten, wär natürlich noch schöner!). Vielleicht / hoffentlich klappt’s im nächsten Frühjahr, dann werden mir deine kulinarischen Entdeckungen sicher den Weg durch die Stadt weisen…. Im Februar geht es aber erst mal nach Bordeaux, wo man mindestens so „genüsslich“ unterwegs sein kann wie in Marseille. Auch „Vom Käse- zum Wurstbrot“, deinen Blogbeitrag übers Tiere essen und Solidarische Landwirtschaft fand ich ausgesprochen lesenswert. Und ich werde mir wohl „Show, dont’t tell“ kaufen. Also danke für die vielen Tipps! Grüße von Kochbuch- zu Kochbuchredakteurin und vom Südwesten in den Norden!
Oh, das freut mich ja, dass dir die Artikel gefallen haben! Und umso schöner, das von einer Kollegin zu hören. Bordeaux kenne ich gar nicht, aber jetzt weiß ich ja, wo ich mich dazu einlesen kann. :-) Herzliche Grüße zurück!