Filmkuss mit Zuckerguss

Gerade komme ich ständig an Plakaten für den neuesten Koch-Ess-Feelgood-Movie vorbei: Madame Mallory und der Duft von Curry. Ich mag Feelgood-Movies. Und normalerweise weckt alles mein Interesse, was das Kochen und Essen zum Thema macht. Aber nachdem ich neulich im Kino den Trailer zu Madame Mallory gesehen habe, dachte ich nur: Och nö.

Irgendwie kam es mir vor, als hätte ich das in den letzten Jahren zu oft gehabt: Filme, in denen Essen als sozialer Schmier- oder sogar Klebstoff herhalten muss, weil die Figuren sonst wenig verbindet.Was ich in Chocolat noch zauberhaft und in Bella Martha nett fand, wurde spätestens mit dem amerikanischen Bella-Martha-Remake Rezept zum Verlieben zum Klischee. Danach kamen Bon Appétit und American Cuisine, und nein, ich habe die nicht alle gesehen.

Ich habe das Gefühl, in diesen Filmen verschwimmen alle Differenzen und Probleme im Dampf aus den Kochtöpfen, und die Handlung bekommt vor allem dadurch Würze, dass die Personen mit Chili, Zimt und Vanille um sich werfen. Das Publikum kriegt von diesen Genüssen aber noch nicht einmal eine Nase voll ab, solange sich das Duftkino noch nicht durchgesetzt hat.

Kästchen mit verschiedenen Gewürzen

Vielleicht ist das auch besser so. Denn wenn man diesen Filmen Glauben schenken möchte, führt nichts mit größerer Vorhersehbarkeit zu erotischen Exzessen als Gewürzdüfte – und wenn die im Kino stattfinden, dann bitte auf der Leinwand und nicht im Saal, dankeschön.

Ich glaube, das ist es, was mich am meisten nervt: Diese Vorhersehbarkeit der Gleichung Essen = Sinnlichkeit = Erotik, die diese Filme so oft aufmachen. Auffällig übrigens, dass darin häufig Köche mit Migrationshintergrund eine Rolle spielen: Diese Südländer (oder auch: Orientalen) sind ja auch irgendwie so viel sinnlicher, nicht wahr? Viel näher dran an ihren Emotionen, mit Chili im Blut. Oder so.

Dass das  Thema Essen und Kochen immer populärer und damit zum zuverlässigen Umsatzbringer wird – okay. Aber muss es auf das immer gleiche Motiv reduziert werden: Glücklichmacher, Liebeskatalysator, Mittel zum Zweck der erotischen Selbsterfahrung?

Es gäbe auch noch jede Menge andere Geschichten darüber zu erzählen. Wie wäre es denn mal mit den folgenden?

  • Paar in den besten Jahren schlittert in Beziehungskrise, als er sich die Superduper-Hightech-Küche anschafft und fortan seinen japanischen Messern mehr Aufmerksamkeit schenkt als seiner Frau (seinem Mann?).
  • Mann kompensiert die Einsamkeit mit Essen, bis er in der Diätgruppe eine Freundin kennenlernt. Es folgt: eine Liebesgeschichte zur Begleitung von Magerjoghurt mit Süßstoff. Und die Krise, als sie die Diät abbricht und einen Schweinebraten ins Rohr schiebt.
  • Alte Frau stirbt. Als die Enkel die Wohnung auflösen, entdecken sie drei übervolle Tiefkühltruhen: Die Großmutter hatte jahrzehntelang einfach immer weitergekocht, als hätte sie noch eine Familie zu versorgen. Enkel lernen die Großmutter postum über die eingefrorenen Gerichte und ihr Küchentagebuch kennen.
  • Exzentrischer Erbonkel verfügt in seinem Testament, dass die Nichten und Neffen das Erbe nur unter der Bedingung antreten dürfen, dass sie einmal im Jahr gemeinsam ein Menü kochen (und essen). Nun ist einer der Erbberechtigten Veganer, die zweite schwört auf Trennkost, die dritte auf Paleo und der vierte hatte noch nie einen Kochlöffel in der Hand, sondern ernährt sich von Burgern, Pizza und asiatischen Fertignudelpackungen. Nach Wahl entweder als schwarzhumorige Komödie oder als bitterböser Krimi zu realisieren, bei dem die Erbengemeinschaft nach und nach immer kleiner wird …
  • Eine Flüchtlingsfamilie versucht sich ein neues Leben aufzubauen. Die Eltern wollen mit traditionellen Gerichten ein Stück alter Heimat in der Fremde  bewahren; die Tochter dagegen möchte nicht mehr an das Trauma von Flucht und Entwurzelung erinnert werden und verweigert zu Hause das Essen.
  • Und zu guter Letzt: mal wieder ein zünftiger Racheakt mit Strychnin im vermeintlichen Candlelight-Versöhnungsdinner.

Hollywood, übernehmen Sie!

Herzförmige Lutscher

PS: Natürlich gibt es auch jede Menge tolle Filme übers Essen. Eat Drink Man Woman fand ich großartig, Julie & Julia durchaus unterhaltsam, und auch wenn man für Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber wirklich einen starken Magen braucht, kann man diesem Film zumindest nicht vorwerfen, banal zu sein.

Ach ja, der letzte Koch-und-Ess-Film, den ich gesehen habe, war The Lunchbox. Hier geht es ums Essen, das Gefühle weckt und zwei Figuren zueinander bringt, die sonst nichts miteinander zu tun haben. Ganz klischeemäßig also. Der Film hat mir trotzdem gefallen – sehr sogar. So viel Inkonsequenz leiste ich mir.

Wie ist das bei euch? Habt Ihr Lieblingsfilme, die sich ums Kochen und Essen drehen? Und guckt ihr euch Madame Mallory an? (Ich lass mich auch überzeugen.)

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18 Gedanken zu “Filmkuss mit Zuckerguss

  1. Susanne

    Deine Filmideen sind genial, die möchte ich im Kino sehen! Ich würde sie mir allesamt anschauen.
    Madame Mallory lasse ich dann mal links liegen :-)
    Unsere Lieblings-Essensfilmen gleichen sich….Eat, Drink, Man, Woman, ist einfach toll. Julia und Julia mag ich auch. Ach, und da wäre noch Tampopo :-)
    Ich mochte auch Lunchbox……ich kann den Bildern und Farben aus Indien nur schwer widerstehen.

  2. Ute

    Ganz großartig Deine Plots! Die möchte ich bitte alle sehen. :)
    Ich habe Madame Mallory nicht gesehen, aber sowas schon vermutet.

    Neben den schon oben genannten sind meine Top-Lieblings-Food Filme, natürlich die Klassiker „Brust oder Keule“ und „Das große Fressen“.
    Ich liebe „Vatel“ und „Babettes Fest“ und ein ganz wunderbarer herzerwärmender Film ist „Bittersüße Schokolade“.

  3. multikulinaria

    Ich schließe mich den Vorrednern an. Deine Film-Plots gehören in’s Kino. Fang schon mal mit dem Drehbuch an! ;-)

    Vatel fand ich großartig. Und den griechichen, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnern kann. Mit vielen Gewürzen, Lebensweisheiten und der richtigen Portion Humor.

    1. Sabine Schlimm Artikel Autor

      Och, ich weiß schon, warum ich nicht Drehbuchautorin geworden bin. ;-) Mit dem griechischen Film meinst Du „Zimt und koriander“, oder? Für den konnte ich mich nicht so recht erwärmen. Der blieb für mich so sehr an der Oberfläche. Nett anzusehen, das schon.

  4. Barbara

    Tolle Plot-Ideen – wenn Hollywood da nicht zuschlägt, weiß ich’s auch nicht…! ;)

    In „Madame Mallory…“ wär‘ ich selbst ohne deine eindringliche Warnung niemalsnicht gegangen. Ich hab‘ nämlich das Buch gelesen – oder besser: NICHT gelesen. Das war schon abgrundtief verschnarcht. Dies ist also keiner der klassischen Fälle, in denen das Buch gut ist und nur der Film den Stoff verhunzt. Warnung retour: Finger weg! ;) Und zwei Food-Filme ohne romantischen Zuckerguss kann ich den Tipps meiner Vorschreiberinnen noch hinzufügen: „Soul Kitchen“ (okay, der dreht sich nur im entfernteren Sinne ums Essen; vielmehr steht ein von der Pleite bedrohtes Restaurants im Fokus) und „Toast“. Der erzählt von der Kindheit und Jugend des renommierten englischen Kochs und Kochbuchautors Nigel Slater und basiert auf dessen autobiographischem Roman.

    1. Sabine Schlimm Artikel Autor

      Danke für die Ergänzungen! „Soul Kitchen“ kenne ich – hey, ich wohne doch in Hamburg! Der ist für mich auch ein echter Wohlfühlfilm. Und an „Toast“ habe ich mich bisher nicht getraut, weil ich das Buch so sehr mochte. Aber nach Deiner Empfehlung …
      Eine Buch-Finger-weg-Warnung kann ich da auch noch ergänzen: Martin Suters „Der Koch“ tut zwar so, als ginge er mit Ironie an dieses ganze Essen-gleich-Erotik-Gedöns heran, aber de facto fand ich den Roman schlimm klischeemäßig und dafür nicht unterhaltsam genug. Ich hatte den Verdacht, dass das Thema Essen hier einem eher uninspirierten Werk zum Erfolg verhelfen sollte.

  5. Schlumpf

    Hallo zusammen,

    also mein Mann wollte mir den Kinobesuch von Madame Mallory zum Hochzeitstag schenken. Und dann habe ich diesen Blogeintrag gelesen und war ein bisschen traurig, weil ich gut verstehen konnte, was Du, Sabine, schriebst und dem eigentlich zustimme. Dennoch, ein Geschenk ist ein Geschenk und es war eine liebe Geste von ihm als Nicht-Koch-Fan mir als Koch-Fan, der solche Filme wie die von euch genannten auch sehr gerne mag, genau diesen Film vorzuschlagen. Deshalb habe ich nicht weiter drüber gelesen und nachgedacht und wir waren gestern drin. Und ich finde, die genannten Klischees und Vorhersehbarkeiten kommen nicht drin vor! Sicher, der Plot jagt jetzt nicht von einer Überraschung zur nächsten, aber die Geschichte ist schön (wenn ich mir auch vorstellen kann, dass sie für ein Buch zu dünn sein könnte). Essen muss kein Klebstoff sein, der Leute, die sonst keine Gemeinsamkeiten haben, zusammenbringt. Im Gegenteil, Essen und die Liebe zum genialen Kochen verbindet die Akteure, aber trennt sie noch viel mehr. Der „orientalische“ :) Koch, hier aus Indien, ist ein junges Genie in seiner Sparte, der aber offen und respektvoll vor der französischen Küche ist. Die Erotik spielt wirklich gar keine Rolle – ich habe wenige Filme gesehen, wo mit so wenig Körperlichkeit so viel Nähe gezeigt werden konnte. Es gibt gerade mal zwei kleine Küsse im ganzen Film! Wer reingeht, mal auf die Musik achten, ist wirklich schön gemacht und wechselt je nach dem gerade zu sehenden Protagonisten und Umgebung. Gerade die beiden indischen Schauspieler haben mich sehr beeindruckt, in der Szene, in der sich Vater und Sohn wiedersehen – mit so wenig Mienenspiel so viel Ergriffenheit auszulösen – chapeau! Helen Mirren spielt die Rolle der verbiesterten, kalten, immer unzufriedenen Grand Dame mit untrüglichen Geschmacksnerven, die natürlich einen weichen Kern hat und eigentlich nur einsam ist (okok, Klischee) ganz gut, aber sie sieht sehr künstlich aus, so als hätte sie sich doch unters Messer gelegt. Nungut, muss jeder selbst wissen. Und noch ein paar Worte übers Kochen und Essen: Klar wäre Duftkino toll. Aber die Bilder sind auch schon nicht übel. Beide Küchen werden sehr wertschätzend und respektvoll behandelt, beide Restaurants streben nach Perfektion und dem vollendeten Genuss auf völlig unterschiedlichen Wegen. Die Gewürze, die Kochszenen werden schön gezeigt, aber für uns Kochbegeisterte hätten sie wahrscheinlich immer gerne länger und ausführlicher sein können. Also mein Fazit: Mir ging es nach diesem Film gut! Die Menschen haben sich entwickelt, die wahren Werte haben gesiegt und die eigenen Geschmacksnerven sind animiert.

    Und noch ein Buchtipp, geht in eine ähnliche Richtung und hat mir als Buch sehr gut gefallen: Das persische Cafe. Mit Rezepten, die man sofort nachkochen will.

    Liebe Grüße, Schlumpf

  6. Die Küchenschabe

    Ich hab das Buch von Madama Mallory gelesen – oder besser gesagt, angelesen, denn nach der Hälfte war es mir sowas von zu fad … da schau ich mir den Film nicht an, auch wenn ich Helen Mirren toll finden (als Queen war sie fantastisch)
    Für die Kochfilmvideothek hätte ich noch Hippolytes Fest, Couscous mit Fisch und Big Night anzubieten :-)

      1. Becky

        Ich habe mein Event bis zum 15. verlängert, also wenn du Lust hast, bist du sehr willkommen. Vor allem fand ich aber einfach, dass dein Artikel toll das Thema aufnimmt.
        LG; Becky

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